URAL mit Seitenwagen

Man sollte meinen, ich hätte nichts zu tun und müsste mir unbedingt noch eine Baustelle in Form einer 94’er URAL mit Seitenwagen zulegen. Im Grunde genommen bestand der Wunsch nach einem Gespann bereits in den 90’er Jahren, nachdem ich, aus beruflichem Grund in Russland unterwegs, die Gelegenheit hatte, einen kurzen Ausflug mit eben solch einem Gefährt zu machen.

URAL GespannWir (zwei Kollegen und meinereins) waren 1991 zur Erfassung der radioaktiven Strahlung, aus der Folge des Reaktorunglücks von Tschernobyl, Nord-Östlich von Kiew im Gebiet um Klintsy unterwegs. An einem der Tage, als wir eine Orientierungsrast machten, kam uns ein älterer Mann auf einer Dnjepr entgegen und war neugierig genug, mal anzuhalten und mit uns ins Gespräch zu kommen. Gespräch wäre jetzt etwas übertrieben, aber immerhin konnten wir uns mit Händen und Füßen einigermaßen verständigen. Mein Blick wanderte natürlich immer wieder zur Dnjepr. Ein erstaunliches Gefährt, sah aus wie eine Nachkriegs-BMW. Ich nahm die Einladung einer Probefahrt an. Alleine wollte mich der gute Russe aber nicht fahren lassen und platzierte sich auf den Soziussitz. Das nun folgende Prozedere zeigte, dass man es nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte wenn noch keinerlei Erfahrungen gemacht werden konnten.

URAL 650Es ging also los: Erster Gang rein – wie gehabt, nix besonderes. Anfahren und links herum wenden, von nun an lief alles genau anders als ich es erwartet hatte. Statt einer geschmeidigen Linkswende ging es nun (dank genügend Drehung der Gashand) prompt rechts herum. Leider gab es auf dieser Seite einen kleinen Vorgarten, sehr nett zurechtgemacht und mit einer etwa 80cm hohen Ligusterhecke eingefriedet. Nach meiner Wende gab es, außer des vorgesehenen Durchgangs in der Mitte, weitere zwei schön symmetrisch angeordnete Durchfahrten in der Hecke und einen in Halbkreisform gezogenen Entwässerungsgraben durch den Vorgarten. Die weitere Fahrt wurde geprägt von vielen Worten die ich nicht verstanden hatte und wilder Gestikulierung. Später deutete ich das als: „ich möge bitte nicht so schnell fahren“. Er (mein Sozius) meinte damit wahrscheinlich, die Verzögerungswerte seien nicht meinen Fahrkünsten gewachsen, da hatte ich wohl zu hohe Erwartungen an die Bremsleistung gestellt. Nun gut, alles in allem keimte der Gedanke, „eines Tages schaffe ich mir so etwas mal an“.

Beiwagen

A.D. 2012 war es soweit. In alter Erinnerung schwelgend ist der Gedanke an ein Gespann wieder an die Oberfläche gekommen. Nun habe ich mir also eine Ural, BJ 1994 von einem sehr freundlichen Vorbesitzer gekauft. Äußerlich ansprechend mit einer Lackierung in BW-Grün und reichlich Zubehör in Ersatzteilmanier lasse ich mich gerne beeindrucken. Da ich mich eher auf Intuition als auf Hieb-und stichfestes Prüfen verlasse, war auch der Kauf schnell entschlossene Sache. Als angeblich Fahrfertig und Zulassungsreif bräuchte ich nur noch eben die HU durchführen zu lassen.

Das Startverhalten war allerdings nicht zufrieden stellend, deshalb habe ich also die Basics wie Ventilspiel und Zündungszeitpunkt kontrollieren wollen. Hier stellte sich dann erschreckendes heraus. Das Ventilspiel der Ventile des linken Zylinderkopfes betrug sage und schreibe mehr als 4mm. Wie geht so etwas? Die Ventile der rechten Seite hatten überhaupt kein Spiel, waren die jemals eingestellt worden? Der Zündzeitpunkt ging ebenfalls nach Monduhr. Hier habe ich dann erst mal die richtigen Einstellungen vorgenommen. Einen Kipphebel musste ich etwas bearbeiten, da er das Ventil nur am Federteller betätigte. Die K65 Vergaser hatte ich ausgetauscht gegen K68, ich meine, die lassen sich besser einstellen.

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Als nächstes steht die Entrostung und Lackierung des Bootes an.Das derzeit angebaute, zweisitzige Boot soll dann gegen das originale Boot ausgetauscht werden.

Update: Mai 2013

Das einsitzige Boot ist mittlerweile angebaut. Obwohl der Zweisitzer etwas besonderes und ausgefallenes war, meine ich , dass nun nicht nur die Optik sondern auch der praktische Aspekt wieder stimmig sind. Die Ausfahrten werden schon länger und das Vertrauen in die Technik größer. Mit jedem gefahrenen Km wächst die Begeisterung am Gespannfahren und das Solomopped steht zu Hause. 

URAL_01

Die Fahrerei ist ja bereits vielfach beschrieben worden. Dem kann ich einfach nichts mehr hinzufügen. Angefangen von den ersten „Gehversuchen“ bis zum abheben des Beiwagenrades in der Rechtskurve und einem Fahrverhalten das sich ständig ändert. Nur darf man sich nicht von anderen Verkehrsteilnehmern unter Druck setzten lassen. Ein URAL-Gespann im Straßenverkehr zu bewegen – da muss man selbstbewust über den Dingen stehen. Dafür kann man aber auch mit viel Verständniss rechnen, wenn man mit 80Km/h die Landstraße belegt. 

So, das ist Stand der Dinge. Hier gibt es sogar noch ein super kurzes Video vom anlassen des Motors. 

https://www.youtube.com/watch?v=xJoGq0Z2ORI

Alleine die Prozedur des Anlassens und der Klang des Motors und der Rückwärtsgang und und und … 

Da reden andere von „entschleunigen“ (welch garstig Wort) – Einfach mal URAL fahren und man erlebt eine vollkommen andere Wahrnehmung (oops, eine Droge?!)

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